Maurice & Die Familie Summen
BMERICA
LP+7"
als Gatefold und mit extra 7" und Downloadcode!
„I’m not easy, but we can discuss it...“ George Clinton
Hi Leute!
Beginnen wir mit dem Öffnen der Verpackung von Bmerica, dem Versenken ins Cover, und dem Phantasieren und Assoziieren, was für eine Musik aus dieser (Innen-)Hülle kommen mag. Tun wir dies bei Bmerica, steigen wir ein in die psychedelischen Bildwelten des Berliner Künstlers Chrigel Farner, die genauso an die Motive von 70er-Jahre-Funk erinnern wie an Science Fiction-Taschenbuch- Illustrationen oder -Filmplakate aus dieser Zeit. Bildwelten, die für viele konnotiert sind mit 'retro', 'weird', 'Trash' oder 'Kult', dabei ist wichtig nicht zu vergessen, was Science Fiction ist bzw. sein kann: Experimentierfeld des Undenkbaren, auf dem abseits des Kulturbetriebes und seinen Ausformungen radikaler Nonsens getestet werden kann, der sich nicht selten Jahrzehnte später bewahrheitet, siehe: Mondlandung, Überwachungs- und Kontrollgesellschaft, geile Robo-Wesen, Arbeit 4.0...
Der Albumtitel Bmerica steht seit Jahren, er war die Ur-Hefe, aus dem das Album wuchs und ist dabei – wie der erwähnte radikale Nonsens, den Science Fiction gerne verhandelt – erst über Zeit prophetisch geworden. Zunächst begann er als Gag: wer A sagt muß auch B sagen, das gilt für A-dolf wie A-bendessen wie für A-merika. Was dieses B wiederum impliziert ist Verhandlungssache: wir alle kennen und lieben B-Movies, kennen Beta-Versionen, diese fehlerhaften (Software-)Systeme, kennen die B-Seiten von Singles, die oft den eigentlichen Hit enthalten. Manch einer mag jetzt vielleicht sogar an Be-yoncé denken!
Die Vorsilbe B etwas, was danach kommt, darunter liegt, eine schlechtere oder eben auch verbesserte Version von A darstellt, ein Mängelexemplar und manchmal auch eine Utopie – aber so oder so auf eine weitere andere Version desselben Prinzips hinweist. Abgesehen davon ist im englischen das phonetisch mit B identische Be auch das wichtigste Verb der Sprache: sein. Bmerica = Merika sein.
Selbst wenn wir Maurice Summens Auseinandersetzung nicht in den aktuellen Amerika-Diskurs eines politisch als B-Ware einzustufenden Betriebes zwängen, spielt Amerika eine große Rolle für ihn, das westfälische Weißbrot, im Münsterland als Sohn eines Soul & Funk-DJs aufgewachsen, und dabei nie den Drang verspürt gegen diesen elterlichen Style zu rebellieren. Sondern der im Gegenteil diese Familientradition (und hier bereits die erste Ebene von Familie auf diesem Album) umarmte und weiterführte, ganz gleich ob als jugendlicher Drummer oder Sänger regional bekannter Funk- und HipHop-Combos oder später mit den in Berlin gegründetem DIE TÜREN, seiner genre-hybriden Band.
So konsequent funky wie auf Bmerica ist Maurice Summen aber zum ersten mal und ebenfalls so konsequent interessiert an Amerika: einem mythischen Amerika wie es Karl May und Franz Kafka als Projektionsflächen für Träume zurechtlegten, die sich auf der fertig kartographierten Fläche Deutschlands nicht träumen ließen, über die sie virtuos und sehnsuchtsvoll sprachen ohne je dort gewesen zu sein. Eine weitere deutsche Projektion ist Bmerica, doch statt aus Reiseberichten speist sich Mauricens Amerika-Idee im Ursprung vor allem aus den Schallplatten, die einst sein Vater anbrachte. Seltsamerweise ist es gerade die Tatsache, dass Maurice sich bewusst ist, wie sein Amerika ein vermitteltes, ausgedachtes, projiziertes ist, eben ein Bmerica, und sein Wissen darum, wie eckig, unfunky und frei von Swagger, Soul and Sex die deutsche Sprache ist, was dieser Sprache plötzlich eine nicht geahnte eckige Funkyness abgewinnt (entfernte Verwandtschaft des ent- sprachlichten Deutsches: Kraftwerk).
Vielleicht ist dafür ausschlaggebend die Produktion, gemeinsam mit seinem Nachbarn, Freund und Mit-Komponisten Michael Mühlhaus (of Blumfeld- und Kante-Fame) und Olaf O.P.A.L. erarbeitet: Bmerica ist keine fette Platte, sondern eine phatte.